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In einer Stadt wie Frankfurt muss man nicht mehr zu Farbeiern auf Luxuswohnungen „anstiften“

Erklärung im Prozess wegen Farbwürfe bei #StadtFürAlle-Radtour

radtour-plakat.jpegAm 10. Juli 2016 fand in Frankfurt die Fahrradtour „Luxus – Leerstand – Häuserkampf“ statt. „Auf den Spuren einer ,Stadt für Alle‘“ liegt diese Forderung auf der Hand, denn in der Finanzmetropole Frankfurt liegen krasser Luxus und spekulativer Leerstand nahe bei einander. Während der Fahrradtour flogen auch Wasserbomben und Farbeier gegen einen Luxusbau im Europaviertel. Deswegen war eine Aktivistin vor dem Amtsgericht Frankfurt angeklagt. Beim ersten Termin wurde der Prozess vertagt, die damalige Prozesserklärung ist hier nachzulesen: http://frankfurt.radikallinks.org/content/wessen-sozialer-frieden. Am 19.04.2018 fand der zweite Verhandlungstermin statt. Dabei wurde von der angeklagten Genossin die folgende Rede als Prozesserklärung vorgetragen.
Am Ende wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 450 Euro eingestellt. Unsere Solidarität gegen ihre Repression – Widerstand lohnt sich!

Prozesserklärung am 19.04.2018

Wir haben schon beim ersten Prozesstermin trefflich über die Mietfrage in Frankfurt diskutiert. Seitdem sind fünfeinhalb Monate vergangen. Fast ein halbes Jahr, in dem sich in Frankfurt an dem Problem der Wohnraumspekulation, der Gentrifizierung und der Verdrängung rein gar nichts verändert hat. Ganz im Gegenteil: Die Lage hat sich weiter zugespitzt: Seien es die Mieter*innen in der Wingertstraße, die seit Jahren mit übelsten Methoden zum Ausziehen gedrängt werden. Seien es die Mieter*innen in der Zoopassage, deren Wohnungen Ende des Jahres aus der Sozialbindung fallen werden. Seien es die Mieter*innen des Rödelheimer Hochhauses, die unter Vermieterwillkür und einer Dauer-Baustelle leiden. Oder seien es die Roma und Romnija, die noch immer kein „Haus für Roma“ haben, weil die CDU keine „falschen Anreize“ für Migrant*innen setzen möchte. Das Recht auf ein Dach über dem Kopf wird in dieser Stadt mit Füßen getreten.

Eigentlich ein Wunder, dass nicht jeden Tag Mieter*innen mit Tomaten in den Taschen den Wohnsitzen ihrer Vermieter*innen, den Hausverwaltungen oder den Geschäftsstellen der Immobilienkonzerne einen Besuch abstatten. 30.000 Personen sind in Berlin am vergangenen Wochenende gegen neoliberale Stadt- und Wohnungspolitik auf die Straße gegangen. Sie haben ein klares Zeichen gesetzt: Die Mietfrage ist zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts geworden. Sie ist kein Problem der Armen – sie ist ein Problem von allen, die nicht reich sind!

In meiner letzten Prozesserklärung bin ich darauf eingegangen, dass die öffentliche Ordnung nicht durch Farbbeutel an einer Luxusimmobilie, sondern durch die zunehmende soziale Spaltung in der Stadt in Gefahr gebracht wird, gezielt betrieben durch die Anwerbung von einem besserverdienenden Upper-Class-Milieu. Die hinter uns liegende Oberbürgermeisterwahl macht diesen Punkt besonders deutlich. Alle Kandidat*innen adressierten das Thema Wohnen und Miete. Rhetorisch fühlte man sich bemüßigt, die zu recht wütenden Bürger*innen zu besänftigen und Versprechungen zu machen – um des lieben sozialen Frieden willens. Aber eben nur rhetorisch. Nach der Wahl werden die Brexit-Banker trotzdem weiter angeworben, die VIP-Konditionen für Bürger*innen erster Klasse ausgebaut – und es gibt doch zu wenig Geld, um den Mietenstopp bei der ABG tatsächlich von 5 auf 10 Jahre zu verlängern. Das einzige, was Junker, dem Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft – eigentlich jemand in einer sozial recht verantwortungsvollen Position – dazu einfällt, ist der Verweis darauf, dass der im Fall einer Mietpreisbremse eintretende Gewinnausfall für die ABG kompensiert werden müsste. So läuft es, wenn sich an kapitalistischer Profitlogik statt an den Interessen der Bürger*innen orientiert wird.

Dabei ist der Bestand von Sozialwohnungen seit Anfang der 1990er Jahre von knapp 68.000 Wohnungen auf aktuell unter 30.000 Wohnungen gefallen. Aber nicht weil sie abgerissen wurden. Sie sind aus der Sozialbindung gefallen. Aktuell sind weit über 9.000 Personen auf der Warteliste für eine solche Sozialwohnung, die halbe Stadt hätte formal Anspruch. Und das Problem wird sich in den nächsten Jahren systematisch potenzieren, fallen doch Schritt für Schritte weitere Mietquartiere aus der Sozialbindung. Aber klar, „das lässt sich nicht vorhersehen“ und „nein, man kann da wirklich gar nichts tun.“ Doch selbst das Prinzip der Sozialbindung ist eigentlich eine einzige Abzocke der Steuerzahler*innen, denn die Differenz zwischen Sozialmiete und Marktpreis wird vom Staat übernommen. Steuergelder werden zur Subventionierung privater Investoren genutzt und damit von unten nach oben umverteilt. Und das alles für einige Jahre oder Jahrzehnte „soziale Zwischennutzung“, bevor die Wohnungen wieder aus der Bindung fallen und frei vermieten werden können – was die Verdrängung der alten Bewohner*innen bedeutet. Wenn das die Formen sind, mit denen die Politik versucht, die Wohnungsfrage zu lösen, dann wird sie wohl nicht gelöst werden.

Dabei könnte sich die Stadt auch klar an die Seite der Mieter*innen stellen. Sie könnte künstlich gehaltenen Leerstand, der der Spekulation dient, enteignen. Immerhin sind das 200.000 Quadratmeter allein innerhalb der Innenstadt. Sie könnte Mietsteigerungen tatsächlich und praktisch begrenzen. Und sie könnte mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft ABG Wohnungen bauen, deren Sozialbindung unbegrenzt gilt.

Stattdessen versucht man den Unruheherd zu verschieben. Die Störung der öffentlichen Ordnung geht angeblich nicht von Armut und sozialer Ungleichheit aus, sondern von Menschen, die diese benennen, kritisieren und unter dem Slogan „Stadt für alle“ eine gerechtere Welt einfordern. Teil der Anklage des Landfriedensbruches ist auch die „Anstiftung anderer zu Straftaten“. Also ehrlich, mit Blick auf die Zahlen ist das doch unglaubwürdig! In einer Stadt wie Frankfurt, in der die Menschen immer größere Teile ihres Einkommens für Miete aufwenden müssen, während immer neue Luxusimmobilien entstehen; in einer Stadt wie Frankfurt, in der sich die Angebotsmieten seit 2004 um 37% erhöht haben; in einer Stadt wie Frankfurt, die Platz 6 in der Weltrangliste der Multimillionärsquote besetzt; in einer solchen Stadt muss man eigentlich niemanden zu Farbeierwürfen auf Luxusimmobilien „anstacheln“.

Wenn die Stadt die Störung der sozialen Ordnung weiter in Personen verortet, die eine solche Aktion nicht mit Empörung, sondern mit einem schelmischen Grinsen quittieren, erklärt sie einen relativ großen Teil der Stadtbevölkerung zum Problem. Eine Politik für die Bürger*innen dieser Stadt sieht allerdings anders aus.

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